Sorting by

×

VIERERKETTE: GEDANKEN ZU BEMERKENSWERTEM IM SPORTMANAGEMENT – „Sport für alle“ statt „42“

Ein bisschen KI gab es schon Ende der 1970er Jahre: Der englische Autor Douglas Adams lässt in der mehrfach verfilmten Roman- und Hörspielreihe „Per Anhalter durch die Galaxis“ einen Supercomputer die Zahl 42 als Antwort auf die „endgültige Frage nach dem Leben und dem ganzen Rest“ ermitteln. Alles Fiktion. Roman halt.

Eine finale Antwort auf diese Frage wird wohl niemand und nichts geben. Und dennoch ist Sport ein lohnenswerter Versuch, individuelles, kollektives und gesellschaftlich gelingendes Sozialleben zu ermöglichen. Bundeskanzler Adenauer wird zitiert mit dem Satz, dass Sport der beste Arzt am Krankenbett der Nation ist. Im 21. Jahrhundert geht es aber nicht nur um gesund sein oder krank sein. Wenngleich die Zivilisationskrankheiten zig-Milliarden Euro schwer auf die Haushalte der Nationen lasten. Die Behandlung der 500 Millionen Menschen, die mangels Bewegung erkranken dürften, koste die Welt zusammen 27 Milliarden Dollar (Fiona Bull, WHO 2022).

TAFISA – Sport für alle

Einen Kontrapunkt setzt das englische Akronym TAFISA. Das bedeutet ins Deutsche übersetzt: „Die Organisation für Sport für alle“. Im Zwei-Jahres-Rhythmus tagt die Weltorganisation TAFISA, um die Chancen dieses Akronyms auszutarieren. Anfang November 2023 findet der TAFISA-World Congress in Düsseldorf statt. Über 400 Delegierte u.a. von den Vereinten Nationen, der Weltgesundheitsorganisation, des IOC, internationaler Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen, Weltsportverbände und dem DOSB weiten ihren Blick auf den gesamten Globus: Kann es und muss es Sport für alle geben?

Blockaden bestehen bei Diversität oftmals behindernden Faktoren wie Religion, Herkunft, sozialem Stand, Kapital, Geschlecht, Krieg; um nur einige zu nennen.

Globale Bewegungsarmut – wir sitzen uns zu Tode

Ich vertrete eine ambivalente Meinung: Natürlich hängt es zunächst von der Definition ab, was man unter „Sport“ versteht. Aber grundsätzlich dürften Vokabeln wie Bewegung, körperliche Aktivierung, mentale Stärkung sowie Spiel und Wettkampf eine Rolle spielen. Für jedermann und Berufssportler:innen gleichermaßen. Das halte ich für positiv.

Weltweit erfüllen über 28 % der Erwachsenen nicht die Mindestanforderungen der WHO für körperliche Aktivitäten. In Ländern mit hohem Einkommen ist der Wert sogar doppelt so hoch, wie in armen Ländern. 1,4 Mrd. Menschen bewegen sich zu wenig. Couch-Potatoes verdrängen den inneren Schweinehund vor die Tür neben den SUV. Sitzen ist nicht nur das neue Rauchen: wir sitzen uns zu Tode. Und verpennen dabei die buchstäblichen Mehrwerte des Sports: Einüben von Werten und Normen, das Achten und Verteidigen von Menschenrechten – weltweit. Es sei denn, wir nutzen die Ökonomie der Aufmerksamkeit und bringen die Forderung nach Sport für alle in die öffentliche Diskussion ein. So lange, bis sie in Landesparlamenten gehört wird. Förderung statt Kürzung des Sports ist die politische Lösung.

Die Welt ist facettenreich

Gleichzeitig sind gerade geografische, klimatische, politische und finanzielle Gegebenheiten zu beachten: Menschen in der Sahel-Zone können sich Skifahren wünschen, aber niemals in ihrem Heimatland ausüben. Gleiches gilt für Beach-Volleyball auf Grönland. Ich würde gerne Sportflieger sein. Das scheitert aber an meinem Portemonnaie. Wie sollten Kinder in Kriegsgebieten Straßenfußball spielen? In muslimisch geprägten Ländern wird LGBTQIA+ eher als ein Begriff aus dem dortigen Strafgesetzbuch verstanden. Das ist aktuell Fakt. In diesem Kontext muss Sportwashing erkannt, benannt und abgelehnt werden.

Last but not least, gibt es ungezählte Ausprägungen von Sport. Es dürfte also keine Dominanz weniger Sportarten oder Sportbewegungen in einem Land geben. Sport für alle bedeutet in diesem Zusammenhang: Verschiedenen Sport für alle. Nicht ohne Grund sind beispielsweise Klettern und Breaking olympisch. Von der Straße auf die Bühne des Sports. Jugendkultur als Teil der Sportkultur.

Outlook

Es dürfte an den möglichen Zugängen für Sport in der Lebenswirklichkeit von Menschen gehen. Diese Barrieren anzusehen und sie abzubauen helfen, könnte Sport für alle bedeuten: Lasst überall Mädchen und Frauen dieselben Rechte haben wie Jungen und Männern. Schafft ausreichende Infrastruktur für Sporttreiben. Gebt Sport eine Chance, Friedensstifter in Kriegsgebieten zu sein. Dazu brauchen wir aber keine KI und 42, sondern im Wesentlichen EI – Emotionale Intelligenz und Sport für alle.

Als Mitglied im Honorary Commitee der TAFISA-World-Conference 2023 leite ich während der Kongresstage eine Gruppe von zehn Studierenden meiner IST-Hochschule für Management. Damit sie Augenzeuge sind für den möglichen Sport für alle.

 

Prof. Dr. Gerhard Nowak

Prof. Dr. Gerhard Nowak ist Dekan der IST-Hochschule für Management im Fachbereich Sportmanagement. Er studierte und promovierte an der Deutschen Sporthochschule Köln. Nowak ist Gründer, Inhaber und Geschäftsführer der PR-Agentur Sportline GmbH (seit 1988).

Seit 2015 veröffentlicht Nowak seinen wöchentlichen Podcast „99 Sekunden Sportbusiness kompakt“. 2019 erschien als Fachliteratur sein viel beachteter Herausgeberband „Angewandte Sportökonomie des 21. Jahrhunderts“.

Sie haben Fragen oder Anregungen zu unserer Kolumne oder möchten sich gerne mit dem Autor austauschen? Hier können Sie mit Prof. Dr. Gerhard Nowak in Kontakt treten.