Es ist nicht nur Sport. Saudi-Arabien investiert riesige Summen in 14 oder 15 verschiedene Sektoren, die in einem öffentlich zugänglich Strategie-Papier auf der PIF-Website aufgeführt sind, darunter „alternative Energiequellen, Tourismusinfrastruktur und sogar in die Filmindustrie. Grundsätzlich geht es der Landesführung im Sicherheit, ein neues Image und vor allem, um einen wichtigeren geo-politischen Platz in der Weltgemeinschaft.
Die Sicherheit besteht aus zwei Elementen: Erstens gibt es im Land eine beträchtliche junge Bevölkerung – 70 Prozent der Saudis sind unter 35 – und die Sorge vor religiösem Radikalismus ist die „größere Sorge“ (ein weiterer Arabischer Frühling). Entsprechend werden besonders durch den Sport und die Stars „um die Ecke“ die Gesellschaft modernisiert. Das zweite Element ist wirtschaftlicher Natur. Saudi-Arabien ist derzeit stark vom Öl abhängig und die langfristige Sicherheit dieser Wirtschaft ist schwach, insbesondere in einer Welt, die sich gegen die Produktion fossiler Brennstoffe wendet. Im Wesentlichen hat Saudi-Arabien 20 Jahre Zeit, um seine Wirtschaft zu diversifizieren: Dabei geht es um die Schaffung einer sichereren, widerstandsfähigeren Post-Öl- und Gas-Wirtschaft und um den Schutz der königlichen Familie des Landes.
Und natürlich wird es auch nicht schaden, den Ruf des Landes als Unterdrücker zu verbessern. Saudische Attentäter haben im Jahr 2018 auf Befehl ihres Kronprinzen den Dissidenten der Washington Post, Jamal Khashoggi, in einem saudischen Konsulat in Istanbul mit Knochen zersägt. Innerhalb des Königreichs wurden Homosexualität häufig bestraft, die Rechte der Frauen werden noch stark beschnitten und es kommt häufig zu Hinrichtungen.
Der Einstieg in den Sport ist eine Rebranding-Aktion. Es zielt auch darauf ab, Skeptiker und Touristen in ein Land zu locken, das sich auf eine Post-Öl-Identität festgelegt hat: die eines Urlaubsziels, eines luxuriösen Las Vegas am Golf und dem vergrößern des Freizeit-Angebots für die eigene Bevölkerung. Den Stars nahbar sein.
Und nicht mehr ausländische Veranstaltern und Ligen die ‚Bühne‘ zu überlassen, sondern selbst Ausrichter und Organisator zu sein. Der Kaufrausch im Fußball oder dem Golf-Sport, den Box-Veranstaltungen, oder vielen anderen Beispielen, lässt sich vielleicht am besten als Machtspiel verstehen.
Viele europäische Fußballmannschaften stecken noch immer in einer Geldnot – das Financial Fair Play spielt eine zentrale Rolle. Denn, zum einen, haben sich viele Clubs immer noch nicht von der Pandemie erholt und sind daher zunehmend auf Gelder des Königreichs angewiesen. Zum anderen können besonders die Mannschaften in der Premier League ihre Spieler nicht mit hohen Verlusten, sondern auf Markt-Niveau und sogar mit Gewinn verkaufen.
Es ist, aus meiner derzeitigen Sicht, sogar wahrscheinlich, dass saudische Mannschaften in naher Zukunft in der UEFA Champions League spielen werden und dass das Land sowohl Europapokal-Endspiele als auch die Weltmeisterschaft ausrichten wird. Auch eine Wiederbelebung der vielgeschmähten Super League ist kaum ausgeschlossen.
Dies wird den globalen Sport verändern. Es wird die globale Kultur verändern. Aber das interessiert Saudi-Arabien eigentlich nicht. Hier geht es um Macht und Geld und um wenig anderes.
Mario Leo. 31.07.2023
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