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VIERERKETTE: GEDANKEN ZU BEMERKENSWERTEM IM SPORTMANAGEMENT – “Spitzensportförderung aus einer Hand – aber welcher?”

Spitzensportförderung aus einer Hand – aber welcher?

Wenn sich der Bundesrechnungshof zu Wort meldet, spricht er Klartext. Das polarisiert dann. So auch im Hinblick auf das geplante Sportfördergesetz. Ein historischer Moment. Denn zum ersten Mal soll der Anspruch auf Förderung des Spitzensports durch den Bund in Gesetzesform gegossen werden. Eigentlich lobenswert. Die amtierende Bundesregierung löst ihr Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag ein. Da heißt es: unter anderem die Erstellung eines Sportentwicklungsplans – etwa für Sportstätten – und die Einführung eines Sportfördergesetzes für eine Spitzensportförderung aus einer Hand. Diese „eine Hand“ heißt unabhängige Sportagentur. Und jetzt beginnen die Interpretations-Probleme des Wörtchens „unabhängig“.

Die Bonner Rechnungshüter fordern schriftlich: „Das BMI hat umgehend sicherzustellen, dass es in eigener Verantwortung und ohne Einflussnahme Dritter über die Förderung der Verbände entscheidet.“ – Dagegen erwartet der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) weiterhin eine Augenhöhe bei den Mittelvergaben, die bei derzeit rund 300 Millionen Euro pro Jahr liegen. Und die Haushaltshüter im Bundestag bestehen auf die Autonomie einer parlamentarischen Demokratie: Keine Garantiesummen, kein Persilschein für den Mittelempfänger und Entscheidungen nur nach Haushaltslage. Statt win-win-win-Situation Windstelle.

Dass die Nutzung von Steuergeld politisch überwacht werde, müsse so bleiben, sagt Olaf Tabor, Vorstand Leistungssport im DOSB. Es gebe aber mit dem Gesetz zum Sport in Niedersachsen oder der Agentur des BMI für Engagement und Ehrenamt Beispiele für deutlich größere Flexibilität und Freiheiten bei der Vergabe solcher Mittel. Diese Freiheiten hätte er sich auch für die Stiftung gewünscht, die die Sportagentur beinhalt.

Beide Parteien wissen, dass sich einander bedürfen. Keiner kann ohne den anderen. Aber wer hat letztlich das Sagen? Die eine Hand weiß nicht, was die andere tut. Das BMI macht jedenfalls Tempo: Ein jüngst veröffentlichter 52seitiger Referentenentwurf des BMI soll zügig in die Ressortabstimmung gehen und noch in diesem Jahr von Bundesrat und Bundestag abgesegnet werden. Dann könnte man politisch noch vor Ablauf der aktuellen Legislaturperiode (2025) einen Haken an das Projekt machen. Könnte Wählerstimmen bringen oder kosten.

Der Zankapfel in der besagten Agentur liegt in der Struktur. Sie beinhaltet im Wesentlichen zwei Gremien, die von zwei Hauptamtlichen geführt werden: Den Sport-Fachbeirat und den Stiftungsvorstand. In diesem Vorstand sind 18 Sitze vorgesehen: vier für das BMI und fünf für den Deutsche Bundestag, neun für den DOSB. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Bundes. Aus dem BMI heißt es dazu, das sei normales Stiftungsrecht, dass bei einer Stimmengleichheit irgendwer auch entscheiden müsse. Der DOSB bekomme mehr Mitspracherecht in dem der Stiftung angesiedelten Sport-Fachbeirat. Man sei aber an das Zuwendungsrecht und haushaltsrechtliche Fragen gebunden.

Zum zweiten Bewegungsgipfel Mittel März 2024 hatte das BMI die bis dato Beteiligten eingeladen. Über 100 Menschen haben sich in fünf Arbeitsgruppen mit Detailfragen beschäftigt. Aber alle Landessportbünde haben ihre Teilnahme abgesagt; zumindest kommen Vertreter des DOSB, um nicht jegliche Türen zuzuschlagen.

Fest steht: der Bund sitzt am längeren Hebel. Steuergelder wird der DOSB nicht federführend verteilen. Garantiesummen in dreistelligen Millionenhöhen garantieren keine Podestplätze bei Olympia oder internationalen Wettkämpfen. Eher stehen die aktuellen Strukturen des Spitzensports erneut auf dem Prüfstand. Warum greifen denn die bisherigen Veränderungsversuche des DOSB nicht? Möglicherweise ist der Bund sportpolitisch müde geworden und glaubt nicht mehr an die Reformkraft des organisieren Sports.

Denkbar ist auch, dass derzeit und eventuell auch mittelfristig andere gesellschaftliche Themen mehr politische Beachtung finden als Medaillen beim Sport-Wettkämpfen. Das wäre ein fatales Signal. Denn der Spitzensport fördert indirekt auch den Breitensport. An dieser Stelle sind Städte und Kommunen gefordert. Man müsste einen negativen Domino-Effekt erwarten, wenn die Förderung von Sport nur noch ein Zwischenruf im Bundestag wird.

Schon Platon wusste: Der Mensch wird frei geboren und lebt doch in Ketten. Ich kenne niemanden, der unabhängig ist. Vielleicht streichen die Parteien dieses Adjektiv und einigen sich auf ein anderes. Vorschlag: statt unabhängige Sportagentur effektive Sportagentur. Dann schaffen viele Hände ein schnelles Ende des Reformstaus.

Prof. Dr. Gerhard Nowak

Prof. Dr. Gerhard Nowak ist Dekan der IST-Hochschule für Management im Fachbereich Sportmanagement. Er studierte und promovierte an der Deutschen Sporthochschule Köln. Nowak ist Gründer, Inhaber und Geschäftsführer der PR-Agentur Sportline GmbH (seit 1988).

Seit 2015 veröffentlicht Nowak seinen wöchentlichen Podcast „99 Sekunden Sportbusiness kompakt“. 2019 erschien als Fachliteratur sein viel beachteter Herausgeberband „Angewandte Sportökonomie des 21. Jahrhunderts“.

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