Klischees als mediale Routine
Für Journalistinnen und Journalisten sind Klischees eine Art Abkürzung: Statt komplizierte taktische Analysen zu liefern, greifen sie zu Bildern wie „italienisches Bollwerk“ oder „afrikanisches Laufwunder“. Das macht Geschichten eingängig, aber oft auch unfair. Denn Zuschreibungen folgen nicht der Leistung, sondern kulturellen, ethnischen oder geschlechtlichen Mustern.
Frauen im Sport – doppelt gefangen
Besonders augenfällig ist das bei Frauen. Während Männer überwiegend an ihrer sportlichen Performance gemessen werden, wird bei Frauen die Sprache subtil – und zugleich entwertend. Eine Fußballerin gilt als „überraschend zweikampfstark“, eine Tennisspielerin als „ungewöhnlich kraftvoll“. Implizit steckt dahinter die Annahme: Eigentlich erwartet man solche Eigenschaften von Frauen nicht.
Noch häufiger geraten äußere Merkmale in den Fokus. Frisuren, Outfits oder das Muttersein werden in Schlagzeilen gehoben, während taktische Cleverness oder Trainingshärte zur Nebensache werden. Die mediale Logik reproduziert damit stereotype Rollenbilder: Sportlerinnen sind nicht einfach Athletinnen, sondern Frauen, die Sport treiben – mit Betonung auf „Frauen“.
Ein extremes Beispiel liefert der Frauenfußball: Lange wurde er als „ästhetisch“ und „sympathisch“ etikettiert, kaum je als taktisch komplex oder ökonomisch bedeutend. Damit wird die Entwicklung einer ganzen Sportart ausgebremst – weil man sie durch stereotype Brillen wahrnimmt.
Das Publikum als Mitspieler
Auch Konsumenten sind Teil dieser Dynamik. Wer ein Spiel verfolgt und vorher liest, die Spielerinnen einer Nation seien „elegant, aber defensiv schwach“, sucht im Spiel nach Belegen für genau diese These. Wir Wissenschaftler sprechen vom „Confirmation Bias“. Medien liefern das Narrativ, Zuschauer füllen es mit selektiver Wahrnehmung.
Wenn Stereotype Grenzen überschreiten
Die Folge sind nicht nur falsche Deutungen, sondern auch Diskriminierungen. Frauen im Sport müssen sich häufiger als „Ausnahmeerscheinungen“ legitimieren, statt selbstverständlich als Profis anerkannt zu werden. Der Sportjournalismus ist hier nicht allein schuld, aber er trägt Mitverantwortung.
Ein Appell an Medien und Fans
Natürlich braucht Sportjournalismus Geschichten. Doch sie müssen differenzierter werden. Anstelle von „robusten Fußballerinnen“ oder „zierlichen Eiskunstläuferinnen“ ließen sich taktische Systeme, Trainingsmethoden oder Persönlichkeiten beschreiben – genauso selbstverständlich wie bei Männern.
Und auch Fans können ihren Blick schärfen: Wer Frauenfußball nur im Lichte von Klischees wahrnimmt, verpasst die eigentliche Faszination – die sportliche Qualität.
Fazit
Stereotype sind bequem. Aber sie machen Sport ärmer, nicht reicher. Gerade bei Frauen im Sport verstellen sie den Blick auf Leistung und Vielfalt. Wer Sport liebt – ob als Journalist oder Zuschauer –, sollte den Mut haben, Geschichten jenseits der Klischees zu erzählen.